„Isst man nur mit Fleisch gesund?“

„Isst man nur mit Fleisch gesund?“

An Freiburgs städtischen Grundschulen wird nur noch vegetarisch gegessen – wegen der gestiegenen Kosten. Doch es gibt Diskussionen: Manche Eltern und Politiker fordern Fleisch auf dem Teller.

 

An der Weiherhof-Grundschule in Freiburg kommen Linsen mit Spätzle auf die Teller. Dem achtjährigen Matteo schmeckt es. „Das Essen ist sehr lecker, und dadurch werden auch nicht mehr so viele Tiere getötet.“ Es gibt aber selbstverständlich auch Kinder, die es nicht so gut finden, einfach weil sie gerne Fleisch essen.

Unterschiedliche Geschmäcke und unterschiedliche Meinungen, die findet man auch auf dem Schulhof. Einige Eltern freuen sich über das vegetarische Essen, andere wollen sich nicht bevormunden lassen.

 

Vegetarische Essensausgabe an einer Schule in Freiburg.

Das schwäbische Nationalgericht: Linsen mit Spätzle – in Freiburgs städtischen Grundschulen seit diesem Schuljahr ohne Saitenwurst – oder auch Wiener Wurst.

 

Isst man nur mit Fleisch gesund?

Das baden-württembergische Ministerium für Ernährung, Ländlichen Raum und Verbraucherschutz ist gegen das rein vegetarische Essen. Dort findet man, das Fleisch zu einer ausgewogenen Ernährung dazugehöre, in reduzierten Mengen. „Kinder sollen in ihrer Entwicklung die Möglichkeit haben, einen eigenen Geschmack zu entwickeln und sich auszuprobieren. Dazu gehört auch der Verzehr von Fleisch“, so das Ministerium.

Aus ernährungsphysiologischer Sicht müsse das Mittagessen kein Fleisch enthalten, erwidert Stephanie Klein von der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE). Grundsätzlich begrüßt es die DGE, pflanzliche Lebensmittel mehr in den Fokus zu nehmen und im wahrsten Sinne des Wortes in die Mitte des Tellers zu rücken.

 

Offizielle Zahlen fehlen

Wie viele Schulen das in Deutschland mittlerweile machen, also entweder eine vegetarische Alternative anbieten oder ausschließlich vegetarisch kochen, dazu gibt es keinen offiziellen Überblick. Allerdings hätten viele Kommunen eine vegetarische Menülinie vertraglich vereinbart. Das heißt, täglich wird mindestens ein vegetarisches Gericht angeboten, erklärt das Nationales Qualitätszentrum für Ernährung in Kita und Schule (NQZ). Das NQZ wurde bereits 2016 vom Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft eingerichtet.

Außerdem gibt es in jedem Bundesland sogenannte Vernetzungsstellen Schulverpflegung. Auf deren Homepage heißt es: „Das gemeinsame Anliegen des Bundesernährungsministeriums, des NQZ und der Vernetzungsstellen ist es, dass Kinder und Jugendliche in allen Kitas und Schulen in Deutschland gut und gerne essen.“

Doch das NQZ und die Vernetzungsstellen dürfen nur Empfehlungen aussprechen, beraten, keine Vorgaben machen.

 

Schulessen ist Ländersache

Schulessen ist in Deutschland Ländersache. Heißt: 16 Bundesländer, 16 Konzepte für das Essen. Einheitliche Vorschriften, was auf den Teller kommt, gibt es keine, nur die Pflicht, dass etwas auf den Teller kommt. Auf Beschluss der Kultusministerkonferenz müssen alle Ganztagsschulen ein Mittagessen anbieten. Das betreffe rund 3,5 Millionen Schülerinnen und Schüler, so ihre Statistik.

Wie dieses Mittagessen aussieht, ist von Bundesland zu Bundesland, von Gemeinde zu Gemeinde, von Schule zu Schule unterschiedlich. Dabei hat die DGE bis ins kleinste Detail Standards für gutes Schulessen erarbeitet.

Gut wären täglich Gemüse und Getreideprodukte, davon zweimal die Woche Rohkost und mindestens einmal ein Vollkornprodukt. Fleisch oder Wurst sollten nur einmal die Woche auf den Speiseplan und auch einmal Fisch. Das sind die Empfehlungen für sogenannte Mischkost, auch hier also wenig Fleisch.

Klare Empfehlungen – Umsetzung hapert

Doch es hapert an der Umsetzung. Nur Berlin, Bremen, Hamburg, das Saarland und Thüringen schreiben die Einhaltung der DGE-Qualitätsstandards verbindlich vor, so die Info auf der Homepage des NQZ. Bundeslandwirtschaftsminister Cem Özdemir will das jetzt angehen. In seinem Eckpunktepapier zur Ernährungsstrategie hat er angekündigt, die Qualitätsstandards der DGE verbindlich zu machen.

Bis 2030 sollen sie unter anderem an allen Schulen etabliert sein. Außerdem soll der Anteil an regionalem, saisonalem und ökologischem Obst und Gemüse erhöht und pflanzliche Alternativen gestärkt werden. Die Regierung hat dem Eckpunktepapier bereits zugestimmt, die Einzelheiten der Ernährungsstrategie sollen bis Ende des Jahres erarbeitet werden.

 

Kritik an fehlender Auswahl

Wenn in Freiburg Linsen mit Spätzle serviert werden, essen das alle Schülerinnen und Schüler. Nicht weil sie es alle mögen, sondern weil es nur das eine Gericht am Tag und keine Auswahl mehr gibt. Ein Gericht sei günstiger als mehrere, erklärt die Stadt. Raban Kluger, der Vorsitzende des Gesamtelternbeirates, kritisiert das. Er befürchtet, dass wegen der fehlenden Auswahl bald weniger Kinder und Jugendliche in den Mensen essen werden.

Auch die DGE weiß, dass in Schulen viele verschiedene Geschmäcke aufeinandertreffen. Bei mehr Auswahl sei die Wahrscheinlichkeit selbstverständlich größer, dass jede und jeder etwas findet, das den eigenen Vorstellungen entspricht.

Andererseits bedeutet eine größere Auswahl häufig auch mehr Reste am Ende des Mittagessens. „Ein geringeres Angebot kann helfen, Abfälle zu vermeiden. Das ist aus Nachhaltigkeitsgründen positiv zu bewerten“, so Klein von der DGE.

 

Vegetarisches Essen sei gut fürs Klima

Vegetarisches Essen helfe generell bei der Nachhaltigkeit, auch wenn mehrere Gerichte zur Auswahl stünden. Eine Untersuchung im Bereich der Schulküchen hat ergeben, dass das Einsparpotenzial für Treibhausgasemissionen bei etwa 40 Prozent liegt. So das Ergebnis des Projektes Klima- und Energieeffiziente Küche in Schulen.

Besonders hohe Emissionen verursache die Produktion tierischer Lebensmittel wie Fleisch, Eier, Milch und Milchprodukte. Dagegen sei der Anteil pflanzlicher Lebensmittel an den Treibhausgasemissionen meist deutlich geringer. So könne man – nur bezogen auf die CO2-Bilanz – rund acht Kilogramm getrocknete Linsen anstatt ein Kilogramm Rindfleisch oder knapp 2,5 Kilogramm Käse essen.

 

Kein Fleischverbot, sondern Sparmaßnahme

Die Stadt Freiburg hat das Fleisch aus Kostengründen vom Speiseplan gestrichen. Seit diesem Schuljahr kostet das Essen 4,40 Euro statt 3,90 pro Mahlzeit. Mit Fleisch wäre das Essen noch teurer geworden. Denn Preissteigerung und Inflation machten sich auch bei den Kommunen bemerkbar, heißt es aus dem Rathaus.

Schlagzeilen wie „Fleischverbot in Freiburg“ ärgern Oberbürgermeister Martin Horn. „Sie können privat essen, was immer sie wollen. Sie können morgens mit Fleisch frühstücken, sie können abends mit Fleisch enden. Sie können nachts Fleisch essen, das ist alles ihre Entscheidung. Aber wir bieten ein faires, leckeres und bezahlbares Essen mit bio mit regionalen und saisonal Produkten an.“

Da gibt es unter anderem: mildes Kichererbsen-Curry mit Reis, Saure Linsen mit Wurzelgemüse oder Champignon-Bolognese mit Fusilli.

 

Studien zum Schulessen

Wie das Essen den Kindern schmeckt, will der Gesamtelternbeirat evaluieren. Dazu werden die Zahlen der bestellten Essen von Oktober bis Dezember mit denen von 2022 verglichen. Dann werde sich zeigen, ob das vegetarische Schulessen der richtige Weg für Freiburg gewesen sei. Die letzte bundesweite Studie zum Schulessen ist von 2015.

Gerade wird eine neue Studie vorbereitet, von der Hochschule für Angewandte Wissenschaften Hamburg im Auftrag des Bundesministeriums für Ernährung und Landwirtschaft. Auch hier wird die pflanzenbasierte Ernährung eine Rolle spielen. Die Befragung untersucht den Kenntnisstand, die Akzeptanz und Herausforderungen in der Umsetzung. Nicht nur in Schulen, sondern auch in Kitas und Hochschulen.

 

https://www.tagesschau.de/

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